Gazeta Wyborcza: Das Netzwerk des Kreml
Über das Netzwerk von Einflussagenten, das der Kreml vor den Wahlen zum EU-Parlament aufbauen wollte und polnische Spuren in der Affäre, berichtet in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Denn, wie wir aus dem Blatt erfahren, habe eine wichtige Rolle in der ganzen Geschichte der der Spionage beschuldigte Pole Janusz N. gespielt.
Wie das Blatt erinnert, habe über die im Rahmen des polnischen Teils der Ermittlungen durchgeführten Aktionen bezüglich des russische Desinformation verbreitenden Portals Voice of Europe im März die Agentur für Innere Sicherheit (ABW) informiert. Agenten seien damals in Wohnungen in Warschau und Tychy eingedrungen, hätten Telefone, Computer, Speichermedien und Bargeld in Fremdwährungen sichergestellt – 48,5 Tausend Euro sowie 36 Tausend Dollar. Laut ABW seien die Durchsuchungen in Polen Teil der Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten, hauptsächlich aus Tschechien, gewesen. In deren Folge sei es gelungen, „Handlungen zu dokumentieren, die auf die Organisation prorussischer Initiativen und Medienkampagnen in EU-Staaten abzielten”. Ziel sei es laut der Behörde gewesen, die außenpolitischen Vorgaben des Kremls umzusetzen, darunter die Schwächung der Position der Republik Polen auf der internationalen Bühne, die Diskreditierung der Ukraine sowie die Schädigung des Images der EU-Organe.
Das Portal Voice of Europe, lesen wir weiter, habe tatsächlich antiukrainische Propaganda und Desinformation verbreitet. Im September letzten Jahres habe es dem damaligen Befehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Załużny, die Schuld für die Sprengung der Nord Stream-Pipeline zugeschrieben. Es habe auch über angeblichen Organhandel in der Ukraine geschrieben (diese Fake-News seien damals vor allem von der russischen Propaganda verbreitet worden). Interviews für das Portal hätten polnische Europaabgeordnete wie Dominik Tarczyński (PiS) und Roman Fritz (Konfederacja) gegeben. Aber die Informationen auf der Seite seien selten aktualisiert worden, und das Portal selbst habe eine geringe Reichweite gehabt. Die Dienste seien der Meinung, dass dessen Tätigkeit lediglich eine Tarnung für die Finanzierung radikaler Parteien in Europa gewesen sei, die der Kreml habe kontrollieren wollen. Bei der ganzen Sache sei es darum gegangen, ein Einflussnetzwerk vor den Wahlen zum Europäischen Parlament aufzubauen, so Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: D-Day ohne Putin
Die fehlende Einladung an Russland zum 80. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie zeigt, dass im Westen eine Revision des Bilds von Moskau vom Zweiten Weltkrieg im Gange ist, schreibt der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita, Jarosław Kuisz. Wie der Autor erinnert, seien nach dem zweiten Weltkrieg Vertreter der Sowjetunion stets bei den Gedenkfeierlichkeiten anwesend gewesen. Auch nach dem Zerfall der UdSSR hätten die Franzosen weiterhin Politiker an die normannischen Küsten eingeladen. In den Jahren 2004 und 2014 sei Wladimir Putin unter den Gästen gewesen. In diesem Jahr jedoch werde es zu einer bedeutenden personellen Verschiebung kommen. Der Präsident Russlands sei nicht eingeladen worden. Stattdessen werde der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, an den Feierlichkeiten teilnehmen.
Theoretisch, so der Autor, sei dies keine Überraschung. Doch solche Gesten seien Teil eines Prozesses, der sehr langsam voranschreite. Vor unseren Augen finde im Westen eine Revision des Bildes von Moskau aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs statt. Es gehe nicht um das Wissen von Wissenschaftlern oder Geschichtsinteressierten. Diese seien seit Langem im Bilde. Es gehe um „Verzerrungen“ der populären Sichtweise auf den Zweiten Weltkrieg. Schließlich hätten die Alliierten während der Nürnberger Prozesse gewusst, wer das Verbrechen von Katyn begangen habe, und dennoch hätten sie geschwiegen. Nicht ohne Grund. In den Jahren 1941–1945 sei die Propaganda auf eine Linie der Sympathie mit der UdSSR umgestellt worden. In Hollywood seien Filme wie „Mission to Moscow“ (1943) von Michael Curtiz entstanden. Unglaublich, aber Stalin und der große Terror der 30er Jahre seien von dem Schöpfer von „Casablanca“ in einem positiven Licht dargestellt worden. Und nun werde im Jahr 2024 in der Normandie für einen Moment wenigstens die Perspektive der Länder Mitteleuropas eingenommen. Dies sei eine wichtige Veränderung. Jetzt werde erkannt, dass sich in den Tränen, die Präsident Putin nach dem Zerfall der UdSSR vergossen habe, mehr widerspiegele als nur die Nostalgie eines jungen KGB-Agenten. Es sei die Sehnsucht nach einer Herrschaft neoimperialer Gewalt gewesen. Dafür sei unter Eisenhower in der Normandie sicherlich nicht gekämpft worden. Polnische Soldaten hätten vor 80 Jahren am Ärmelkanal und an den Stränden Frankreichs definitiv nicht dafür gekämpft. Das Fehlen Putins bei den D-Day-Feierlichkeiten habe, so schwer es auch zu glauben sei, etwas von einem späten Triumph der Wahrheit an sich, so Jarosław Kuisz in der Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: EU ja, aber in neuer Ausgabe
Zwei Tage vor Beginn der Wahlen zum Europaparlament haben die EU-Landwirte auf den Straßen Brüssels demonstriert. Die gestrige Demonstration sei nicht so zahlreich gewesen, wie die vorherigen, aber die Stimme der Landwirte sei trotzdem hörbar gewesen, schreibt in der heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Die Streikenden hätten betont, dass sie nicht gegen die EU protestieren, sondern lediglich ihren entschiedenen Widerstand gegen die aktuelle Agrarpolitik ausdrücken.
“Wir wollen nicht vorschreiben, wen die Wähler unterstützen sollten, aber wir wollen, dass sie verstehen, dass, wenn sie dieselben Leute wählen, die in dieser und der vorherigen Amtszeit hier waren, die Probleme Europas sich verschärfen werden”, erklärte Jos Ubels, der stellvertretende Vorsitzende der niederländischen Organisation Farmer Defence Force im Gespräch mit dem Blatt. “Mit dieser Demonstration wollen wir den EU-Bürgern klar machen, dass die hohen Lebensmittelpreise das Ergebnis einer fehlerhaften Lebensmittelpolitik und Gesetzgebung sind, die aus Brüssel in die Mitgliedstaaten kommt”, fügte er hinzu. Die Landwirte, so der Aktivist, würden hoffen, dass konservativere Politiker zu Wort kommen, die die traditionelle Stärke der europäischen Landwirtschaft erkennen. Ziel der Demonstrationen sei es, die Aufmerksamkeit der Medien auf die dramatische Situation zu lenken, in der sich die europäische Landwirtschaft nach zehn Jahren der Herrschaft der aktuellen EU-Führung befinde, so Ubels.
Laut der belgischen Polizei seien in der Hauptstadt etwa 500 Traktoren aufgetaucht. Trotzdem sei die Demonstration viel weniger zahlreich ausgefallen als die, die Anfang des Frühlings organisiert worden seien. Die größten europäischen Lobbygruppen der Landwirte – Copa Cogeca und La Via Campesina – hätten daran nicht teilgenommen. Der Sprecher der letzteren habe erklärt, dass die größten landwirtschaftlichen Kreise Streiks kleiner Gruppen ablehnten, die seiner Meinung nach keine konkreten Vorschläge zur Lösung der Probleme der Landwirte hätten. Diese seien im Herbst zu erwarten, aber nicht von den Landwirten, sondern von der Europäischen Kommission, die aufgrund der Proteste eine Diskussion über die Zukunft der europäischen Landwirtschaft begonnen habe. Ihre Fortsetzung und ihr Charakter würden nicht nur von den Ergebnissen der Europawahlen abhängen, sondern vor allem von der Zusammensetzung der neuen Europäischen Kommission, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.
Autor: Adam de Nisau