Insgesamt wurden Zehntausende Menschen in den betroffenen Gebieten evakuiert, darunter 15.000 an der Grenze zwischen Tschechien und Polen. Der polnische Premierminister Donald Tusk erklärte in den am stärksten betroffenen südlichen Regionen des Landes den Notstand. In Polen wurden 14.000 Soldaten in die Überschwemmungsgebiete entsandt, um die Katastrophenhilfe zu unterstützen. In der Stadt Wrocław (Breslau) bereiten sich die Bewohner darauf vor, dass der Wasserstand am Donnerstag seinen Höhepunkt erreichen wird.
Auch andere Länder wie Ungarn, Kroatien und die Slowakei sind in höchster Alarmbereitschaft, da weitere starke Regenfälle prognostiziert werden.
Klimawandel als Ursache?
Die stellvertretende polnische Klimaministerin Urszula Sara Zielińska macht den Klimawandel für die Katastrophe verantwortlich. Sie erklärte gegenüber der BBC, dass nach den extremen Überschwemmungen von 1997 behauptet wurde, solche Ereignisse würden nur „einmal alle tausend Jahre“ vorkommen. Doch nur 26 Jahre später ereignet sich bereits eine erneute Katastrophe ähnlichen Ausmaßes. „Es gibt eine klare Ursache dafür, und das ist der Klimawandel“, sagte Zielińska.
Obwohl es noch zu früh für eine abschließende wissenschaftliche Analyse ist, welche Rolle der Klimawandel bei diesem extremen Wetterereignis gespielt hat, warnen Klimawissenschaftler bereits seit Langem, dass extreme Niederschläge in Europa mit steigenden Temperaturen zunehmen werden. Sie betonen, dass die Atmosphäre mit jedem Grad Celsius Erwärmung 7 Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Auch eine Hitzewelle im Mittelmeerraum, die im vergangenen Monat Rekordtemperaturen erreichte, könnte die Situation verschärft haben. Hohe Meeresoberflächentemperaturen führen zu erhöhter Verdunstung und damit zu mehr Feuchtigkeit in der Luft. Diese warme, feuchte Luft traf auf kalte Luft aus der Arktis, was zu den schweren Regenfällen von Sturm Boris führte.
Laut Experten der World Weather Attribution-Gruppe wäre die Hitzewelle im Mittelmeerraum ohne menschgemachte globale Erwärmung „praktisch unmöglich“ gewesen.
Extreme Wetterereignisse in Europa „die neue Norm“
Die Europäische Union warnt davor, dass die verheerenden Überschwemmungen in Mitteleuropa und die tödlichen Brände in Portugal ein Beweis für einen „Klimazusammenbruch“ sind, der ohne sofortiges Handeln zur Norm werden könnte.
Janez Lenarčič, EU-Kommissar für Krisenmanagement, erklärte vor dem EU-Parlament in Straßburg, dass Europa nicht „in eine sicherere Vergangenheit zurückkehren“ könne. „Diese Tragödie ist keine Anomalie. Sie wird schnell zur Norm für unsere gemeinsame Zukunft“, sagte Lenarčič. Er warnte zudem, dass die Länder Schwierigkeiten haben, die steigenden Kosten solcher Katastrophen zu bewältigen. Die Schäden in Europa überstiegen 2021 und 2022 durchschnittlich 50 Milliarden Euro pro Jahr.
„Die Kosten der Untätigkeit sind weitaus höher als die Kosten der Aktion“, betonte er.
Nicolò Wojewoda, Europadirektor der internationalen Umweltorganisation 350.org, bezeichnet die jüngsten Ereignisse als „verheerendes Warnsignal“ für die Weltführer. „Wir erleben, wie gewöhnliche Menschen mit ihrem Leben bezahlen, während Entscheidungsträger den Klimaschutz verzögern und behindern“, sagte Wojewoda.
PAP/euronews/IAR/jc