Deutsche Redaktion

"Die größten Parteien decken die Bedürfnisse der jungen Generation nicht ab"

11.06.2024 14:45
Hätten nur junge Polen zwischen 18 und 29 Jahren an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilgenommen, würde die Konföderation an erster Stelle stehen. Aufmarsch der Rechten könnte eine Neuverhandlung des Green Deals erleichtern. Und: Auflösung des französischen Parlaments keine gute Nachricht für Polen und die Ukraine.
O zdrowiu psychicznym nastolatków rozmawialiśmy także w trakcie Czwórkowej debaty Świat zwariował, czy z nami jest coś nie tak?.
O zdrowiu psychicznym nastolatków rozmawialiśmy także w trakcie Czwórkowej debaty "Świat zwariował, czy z nami jest coś nie tak?". Shutterstock/Jacob Lund

Rzeczpospolita: Die größten Parteien decken die Bedürfnisse der jungen Generation nicht ab

Hätten nur junge Polen zwischen 18 und 29 Jahren an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilgenommen, würde die Konföderation an erster Stelle stehen, schreibt die konservativ-liberale Rzeczpospolita am Dienstag. Laut einer Ipsos-Spätumfrage für die größten Fernsehsender TVN, TVP und Polsat, so das Blatt, hätten 29,5 Prozent dieser Altersgruppe für die rechtsradikale Partei gestimmt. Dahinter seien die liberale Bürgerplattform (PO) und die rechts-konservative Recht und Gerechtigkeit (PiS) gefolgt. Die Linke und der Dritte Weg hätten die letzten Plätze belegt. Die Konföderation habe bei den jungen Menschen sogar ein besseres Ergebnis erzielt als bei den letzten Kommunal- und Parlamentswahlen. Damals habe die Mehrheit noch für die Bügerplattform gestimmt, lesen wir.

Die Wahlstatistiken, fährt das Blatt fort, würden daher deutlich zeigen, dass die derzeitige Politik der größten Parteien die junge Wählerschaft nicht anspreche, heißt es weiter. Laut dem Soziologen und Leiter des Instituts für öffentliche Angelegenheiten, Dr. Jacek Kucharczyk, sei dies darauf zurückzuführen, dass sowohl die derzeitige als auch die vorherige Regierung sich mehr auf die Bedürfnisse älterer Altersgruppen, Rentner oder Familien mit Kindern konzentrieren und kein Angebot für junge Menschen hätten. Zudem herrsche hier auch viel jugendliche Lässigkeit, die Jungen würden den Älteren auf der Nase herumtanzen wollen, glaubt der Experte. Junge Polen würden keinen Grund sehen, für Sozialleistungen, Renten oder öffentliche Anstalten zu zahlen, wenn das Geld in ihrer Tasche bleiben könnte.

Laut dem Politologen Professor Rafał Chwedoruk wiederum sei die Unterstützung für die Konföderation eng mit dem ukrainischen Kontext verbunden. Junge Polen würden dieses Thema anders betrachten als Politiker. Für sie seien die mit dem Ausbruch des Krieges verbundenen Risiken von großer Bedeutung. Sie würden befürchten, dass sie im Falle einer Eskalation der Situation mit einem Gewehr herumlaufen und sich in Schützengräben verstecken müssten, anstatt das Leben zu genießen und sich zu verwirklichen, erklärt der Professor. Auch der Tod eines Soldaten an der Grenze habe ihre Überzeugung verstärkt, dass sie sich in Gefahr befinden. Wie wir weiter lesen, habe die Konföderation schon im letzten Sommer recht hohe Sympathiewerte unter jungen Polen gehabt. Damals hätten ukrainische Themen in der öffentlichen Debatte eine große Rolle gespielt. Unmittelbar vor den Parlamentswahlen seien diese Themen jedoch in den Hintergrund gerückt, so dass auch die Umfragewerte der Konföderation zu sinken begannen.

Die Konföderation profitiere schließlich auch vom Rückgang der Unterstützung für den Koalitionspartner der Bürgerplattform, den Dritten Weg. Und obwohl seine Anführer derselben Generation angehören wie die Politiker der radikalen Rechten, sei der Dritte Weg für junge Menschen eine zu wässrige und unklare Partei. Und für solch einen Eklektizismus müsse diese Partei jetzt büßen, so Prof. Rafał Chwedoruk in der Rzeczpospolita.

Biznesalert: Der Marsch der Rechten in Europa wird es Polen ermöglichen, über den Green Deal zu verhandeln

Auf europäischer Ebene habe die Europäische Volkspartei, zu der auch die Brüsseler Abgeordneten der PO gehören, die EU-Wahlen gewonnen. Zusammen mit den Sozialisten, Demokraten und Grünen werden sie fast drei Viertel der Sitze im Europäischen Parlament besetzen. Sie werden die stärkste Kraft in der Parlamentskammer sein. Die Zahl der Sitze der Nationalisten und Euroskeptiker hingegen nehme zu, schreibt der Chefredakteur des Portals für Energiewesen Biznesalert, Wojciech Jakóbik. Die europaskeptische Rechte habe die Europawahlen in Belgien und Frankreich gewonnen und dort vorzeitige Parlamentswahlen ausgelöst. In Deutschland seien die Christdemokraten der CDU/CSU an die Spitze gerückt, aber die pro-russische und euroskeptische Alternative für Deutschland habe 16 Prozent der Stimmen erhalten. Die Rechte habe auch in Österreich, Spanien, Italien und Ungarn gesiegt. Laut Jakóbik werde sich die wachsende Unterstützung konservativer und rechter Kräfte in Zukunft auch in Veränderungen in den nationalen Parlamenten niederschlagen. Diese wiederum werden über den EU-Rat zusammen mit dem Europäischen Parlament und der Kommission neue Gesetze schaffen. Darunter auch zahlreiche Rechtsakte des Europäischen Green Deals korrigieren, lesen wir.

Geht es nach dem Autor, könnte Polen die wachsende Stärke der Parteien, die den europäischen Green Deal skeptisch sehen, nutzen. Warschau könnte Änderungsanträge vorlegen, die die positiven Veränderungen nicht aufhalten, sondern Ländern, die auf dem Weg der Energiewende weniger weit fortgeschritten sind, größere Zugeständnisse und Unterstützung gewähren. Wie es weiter heißt, müssten die Parteien des Mainstreams jetzt einige der Forderungen der wachsenden euroskeptischen Opposition aufgreifen, um soziale Ausbrüche wie die Streiks der Gelben Westen in Frankreich oder die Bauernproteste in ganz Europa zu vermeiden. Jakóbik zufolge stehe dem Europäischen Green Deal somit wahrscheinlich eine Evolution bevor. Ihn ganz zu stoppen, sei nicht mehr möglich. Die Polen können allerdings verhandeln, um so viel wie möglich davon zu profitieren und so wenig wie möglich zu verlieren, heißt es in Biznesalert.

Wprost: Neuwahlen in Frankreich eine schlechte Nachricht für Polen und Mitteleuropa

Es sei unwahrscheinlich, dass sich die Kräfteverhältnisse im Europäischen Parlament grundlegend verschieben werden, schreibt Jakub Mielnik für das Wochenblatt Wprost. Die konservativen Kräfte haben rund ein Dutzend Sitze hinzugewonnen, aber die Dominanz der christdemokratischen und sozialistischen Mitte bleibe unversehrt. Wenn diese Wahlen überhaupt eine Veränderung markieren, dann sei es der Anfang vom Ende der politischen Karriere von Emmanuel Macron, lesen wir. Seine Partei habe in Frankreich so schlecht abgeschnitten, dass der Präsident das nationale Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen hat. Die Favoritin sei die rechtsextreme Marine Le Pen. Sie habe eine Rekordzahl von mehr als 30 Prozent der französischen Wähler gewonnen.

Geht es nach dem Autor, sei dies für Polen und Mitteleuropa eine schlechte Nachricht. Macrons Wahlkampfrhetorik habe sich nämlich seit jüngster Zeit gegen Russland gerichtet. Er habe auch auf eine starke Unterstützung der Ukraine gedrängt. Jetzt aber könnte sein politisches Projekt gekippt werden, heißt es. Die liberale Fraktion, deren informeller Schirmherr Macron sei, habe die EU-weiten Europawahlen klar verloren. Dadurch verliere sie jetzt ein Viertel ihrer Sitze im EU-Parlament. Dies könnte die vom Präsidenten kürzlich vorangetriebene Strategie eines stärkeren Engagements Europas im Krieg in der Ukraine ernsthaft behindern, lautet Mielniks Ansicht in Wprost.

Autor: Piotr Siemiński

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