Deutsche Redaktion

Streit um Rechtsstaatlichkeit: Schlagabtausch zwischen Staatspräsident Duda und Regierung im Sejm

16.10.2024 12:35
Präsident Andrzej Duda hat in einer Rede vor dem Sejm die Regierung von Premierminister Donald Tusk scharf angegriffen. Justizminister Bodnar erinnerte indes daran, dass Duda während der PiS-Regierung alle Gesetze unterzeichnet habe, die darauf abzielten, die Demokratie zu zerstören.
Warschau, 16.10.2024. Der Prsident der Republik Polen Andrzej Duda im Plenarsaal des Sejm in Warschau. Prsident Duda hielt eine Rede zum Jahrestag der Parlamentswahlen 2023. (amb) PAPMarcin Obara
Warschau, 16.10.2024. Der Präsident der Republik Polen Andrzej Duda im Plenarsaal des Sejm in Warschau. Präsident Duda hielt eine Rede zum Jahrestag der Parlamentswahlen 2023. (amb) PAP/Marcin Obara PAP/Marcin Obara

Präsident Andrzej Duda hat in einer Rede vor dem Sejm die Regierung von Premierminister Donald Tusk scharf angegriffen. Er warf der Regierung vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben, das Recht zu brechen und die Verfassung zu missachten.

„Früher fehlte der Mut, kommunistische Richter zur Rechenschaft zu ziehen, und heute wollen Sie den Richtern im freien Polen das Rückgrat brechen; ich werde dem niemals zustimmen“, erklärte Duda. Er bezog sich auf Pläne der Regierung, junge Richter zu überprüfen und sie zur Äußerung von „tätiger Reue“ zu zwingen. „Das ist eine Schande und eine Schmach, meine Damen und Herren“, betonte er.

“Polen braucht keine 'kämpfende Demokratie'”

In Bezug auf die Staatsanwaltschaft beschuldigte Duda Premierminister Tusk und Justizminister Adam Bodnar, das Gesetz gebrochen zu haben, indem sie Dariusz Barski daran hinderten, das Amt des Generalstaatsanwalts auszuüben, und stattdessen Dariusz Korneluk einsetzten. Duda kritisierte auch Tusks Verwendung des Begriffs „kämpfende Demokratie“ zur Rechtfertigung von Gesetzesverstößen. „Sich hinter Begriffen wie 'kämpfende Demokratie' zu verstecken, ändert nichts daran, dass das Brechen des Rechts weiterhin ein Rechtsbruch ist. Herr Premierminister, Polen braucht heute keine 'kämpfende Demokratie', Polen braucht heute nur eine gut funktionierende Demokratie“, erklärte der Präsident.

Duda unterstrich, dass Polen über unabhängige Institutionen wie das Verfassungsgericht, den Obersten Gerichtshof und den Landesjustizrat (KRS) verfügt und dass die Richter vom Präsidenten gemäß Verfassung und Gesetzen ernannt wurden. „Wenn es irgendwo ein Problem gibt, dann ist es die Regierung, die sich Urteile aussucht: Wenn das Urteil im Sinne der Regierung ist, erkennt sie das Gericht an. Wenn nicht, wird das Gericht von der Regierung nicht anerkannt. Das ist die Realität, die wir heute haben. Es ist schwer, größere Heuchelei zu finden“, sagte Duda.

“Regierung für unbesetzte Botschafterposten verantwortlich”

Er kritisierte die Regierung zudem für ihr Vorgehen in der Außenpolitik. „Der Regierung fehlt der gute Wille zur Zusammenarbeit in der Frage der Besetzung polnischer diplomatischer Vertretungen“, sagte er. Duda warf der Regierung vor, über 50 Botschafter ohne angemessene Konsultation zurückgerufen zu haben, was zu einer verminderten diplomatischen Präsenz Polens führe. „Die Regierung trägt die volle Verantwortung dafür, dass Polen heute in vielen Ländern eine reduzierte diplomatische Vertretung hat und dass polnische diplomatische Vertretungen dadurch eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten haben“, betonte der Präsident.

Gute Zusammenarbeit während der Flut

Ein Lichtblick sei laut Duda die Zusammenarbeit mit Premierminister Tusk während der Flutkatastrophe gewesen. „Ich freue mich, dass Premierminister Donald Tusk in der Krisensituation im Zusammenhang mit der Flut meine ausgestreckte Hand sehen konnte; dort, wo die Regierung guten Willen zur Zusammenarbeit zeigt, können wir gemeinsam viel Gutes tun“, sagte er. Er dankte auch dem Landwirtschaftsminister Czesław Siekierski für die angekündigten Hilfsprogramme für von Naturkatastrophen betroffene Landwirte.

Premierminister Tusk: Die Polinnen und Polen haben die die schlechte Regierung abgesetzt

Premierminister Donald Tusk reagierte auf die Rede des Präsidenten und hob die Bedeutung der Parlamentswahlen vom 15. Oktober 2023 hervor. „Am 15. Oktober haben die Polinnen und Polen in einem großen nationalen Aufbruch die schlechte Regierung abgesetzt, Polen von Lüge, Korruption und Unfähigkeit befreit“, erklärte Tusk. Er betonte, dass keine politischen Reden oder Erklärungen diesen fundamentalen Fakt ändern könnten.

Tusk appellierte an die Bürger, weiterhin aktiv zu bleiben und nicht nach einer Schlacht aufzuhören. „Ich appelliere an die Wähler, die am 15. Oktober ihr großes Herz für den Kampf um die Demokratie gezeigt haben, nicht nach einer Schlacht aufzuhören. Den Krieg für ein sicheres Polen müssen wir gewinnen – den Krieg, nicht nur eine Schlacht“, sagte der Premierminister. „Sie wissen, was wir tun müssen. Heute, nach dem, was im Sejm anlässlich des Jahrestages jener Wahlen geschehen ist, ist vielleicht wieder alles klar“, fügte er hinzu.

Justizminister Bodnar: “Schande und Schmach, Herr Präsident”

Justizminister Adam Bodnar äußerte scharfe Kritik an Präsident Duda und warf ihm vor, die Rechte der Bürger auf eine unabhängige Justiz zu vergessen. „Es überrascht mich, dass Präsident Andrzej Duda als Jurist und Doktor der Rechtswissenschaften vergisst, dass Polen eine Verfassung hat und Verpflichtungen aus internationalen Verträgen bestehen. Er vergisst das Recht der Bürger auf ein unabhängiges Gericht, das unabhängig von der politischen Macht ist, und eine unabhängige Staatsanwaltschaft, die jeden verfolgt, der das Gesetz bricht, unabhängig von politischer Zugehörigkeit“, schrieb Bodnar auf dem Portal X. Er erinnerte daran, dass Duda während der PiS-Regierung alle Gesetze unterzeichnet habe, die darauf abzielten, die Demokratie zu zerstören. „Schande und Schmach, Herr Präsident“, fügte er hinzu.

PAP/adn


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