Rzeczpospolita: Juristische Affäre um Romanowski
Weder der Justizminister, noch der Landesstaatsanwalt konnten überzeugend erklären, warum die Staatsanwaltschaft nicht direkt bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates um die Immunität von Romanowski gefragt hat, schreibt in ihrem Aufmacher die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Stattdessen, so das Blatt, habe man sich auf zwei Gutachten von Experten beschränkt, die festgestellt hätten, dass die Immunität den Fall des Justizfonds nicht betreffe.
“Die Staatsanwaltschaft hätte etwas anderes tun können. Die Ermittler hat den Vorsitzenden der Parlamentarischen Versammlung des Europarats nicht im Voraus darüber informiert, dass die nationale Immunität des Abgeordneten aufgehoben ist und ein Antrag auf vorübergehende Inhaftierung beim Gericht eingereicht wird”, betont Prof. Marcin Górski von der Universität Łódź. Seiner Meinung nach – wie auch der vieler anderer Juristen – betreffe die Immunität der Parlamentarischen Versammlung nicht den Fall des Justizfonds, und eine vorherige Information an den Europarat hätte die Bewertung der Situation durch den Vorsitzenden der Versammlung, der zugunsten von Romanowski interveniert habe, beeinflussen können.
Der Anwalt des Letzteren, Bartosz Lewandowski, habe bereits angekündigt, Beschwerde gegen den Haftbefehl einzulegen, der aufgrund der Immunität seines Mandanten rechtswidrig sei. Das bedeute, dass der Abgeordnete Gründe habe, vom Staat Schadenersatz und Entschädigung für die zweifellos ungerechtfertigte Festnahme zu fordern, erklärt die Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Großer Fehler von Tusk
Auch der Kommentarteil der heutigen Ausgabe ist ausschließlich der Affäre rund um Romanowski gewidmet. Der Premier habe unabsichtlich Marcin Romanowski sehr geholfen. Nun werde es für die gewöhnlichen Polen, die nicht zum härtesten Wählerkreis gehören, schwieriger zu glauben, dass es nur darum gehe, skandalöse Missbräuche der PiS-Regierung aufzuklären und nicht um politisches Theater, urteilt in seiner Stellungnahme der Publizist Michał Szułdrzyński. Wie der Autor erinnert, habe der Regierungschef die Situation mit der Freilassung von Romanowski auf X mit einem Gangsterfilm verglichen, in dem der Verdächtigte zwar auf freien Fuß komme, aber “aufgeschoben ist nicht aufgehoben”, betonte Tusk. Das Problem an diesem Kommentar sei, dass der Ministerpräsident damit zeige, dass der Fall einen politischen Charakter habe und unbeabsichtigt die Narration der Opposition stärke, die die Ermittlungen als Hexenjagd für politische Zwecke diskreditiert habe. Romanowski selbst habe geschrieben, dass es sich um „politische Rache“ handele. Wenn sich der Premierminister selbst zur Gerichtsentscheidung äußere und Romanowski mit einem Gangster vergleiche – und man erinnere daran, dass im polnischen Recht die Unschuldsvermutung gelte – gebe er den Verteidigern des ehemaligen stellvertretenden Justizministers ein starkes Argument in die Hand, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita.
Tomasz Pietryga prangert die Praxis an, rechtliche Fakten mit Hilfe von Expertenmeinungen zu schaffen, die für ihre Expertisen keine Verantwortung tragen. Denn, wie Landesstaatsanwalt Dariusz Korneluk bei der Pressekonferenz am Mittwoch argumentierte, hätten eben solche Expertisen, die die Immunität von Romanowski in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats als irrelevant eingestuft hatten, maßgeblich dazu beigetragen, dass die Ermittler nicht die Meinung des Europarats selbst eingeholt haben. Der weitere Verlauf der Ermittlungen werfe viele Fragen auf. Es bleibe zu hoffen, dass wir die Antworten diesmal anhand harter, eingehender juristischer Analyse von Personen kennenlernen, die eine faktische berufliche und rechtliche Verantwortung für ihre Entscheidungen und Handlungen tragen, so Tomasz Pietryga.
Und Jacek Nizinkiewicz betont, dass die Tatsache, dass Marcin Romanowski aus der Haft entlassen wurde, im Gegensatz zur Erzählung, die die PiS durchsetzen wolle, kein Beweis für die Unschuld des ehemaligen stellvertretenden Ministers ist. Man, ironisiert Nizinkiewicz, müsse die Partei von Jarosław Kaczyński dafür loben, dass sie plötzlich beginne, internationales Recht zu respektieren. Denn während der PiS-Regierung seien Milliardenstrafen gegen Polen verhängt worden, weil die Regierung Morawiecki die EU-Beschlüsse nicht umgesetzt habe. Und der Fall des Justizfonds sei ernst. Die Oberste Kontrollkammer NIK habe das Ausmaß der Unregelmäßigkeiten auf über 280 Millionen Złoty geschätzt. Romanowski werde in diesem Fall in insgesamt 11 Punkten angeklagt, darunter in Bezug auf die Beteiligung an einer organisierten Gruppe, die Straftaten gegen Eigentum begangen habe, Amtsmissbrauch, Pflichtverletzung, Falschaussagen in Dokumenten und die Verursachung von großem Schaden am Eigentum des Staates, so Nizinkiewicz.
Gazeta Wyborcza: Die Freilassung beendet nicht die Probleme von Romanowski
Die Staatsanwaltschaft habe einen Fehler begangen. Aber die Entscheidung des Gerichts beende nicht die Probleme von Romanowski, schreibt auch Roman Imielski von linksliberalen Gazeta Wyborcza. Die Staatsanwaltschaft verfüge über umfangreiches und glaubwürdiges Beweismaterial, darunter die Aussagen des ehemaligen Direktors des Justizfonds, Tomasz Mraz.
Wie Imielski erinnert, werde dem ehemaligen stellvertretenden Justizminister vorgeworfen, als Aufseher des Justizfonds bestimmt zu haben, welche Organisationen Gelder erhalten sollten – obwohl diese ursprünglich für die Unterstützung von Opfern von Straftaten vorgesehen gewesen seien. Manchmal seien die Gelder, und zwar ohne Ausschreibung, an Organisationen gegangen, die unter anderem mit der Vereinigten Rechten, der Kirche und Tadeusz Rydzyk verbunden seien. Sehr häufig hätten die Gelder des Justizfonds faktisch den Wahlkampf der Abgeordneten der Partei Souveränes Polen finanziert. Die derzeitige Leitung des Justizministeriums habe errechnet, dass es sich um eine Summe von bis zu 200 Millionen Złoty handele.
Und der schwerwiegendste Vorwurf: Romanowski habe in einer organisierten kriminellen Gruppe agiert, deren Zentrale das Ministerium von Zbigniew Ziobro gewesen sei. Dies seien die Kernpunkte des Skandals um Romanowski, und nicht, ob er früher oder später seine europäische Immunität verliere. Denn angesichts der Schwere der Vorwürfe und deren Dokumentation sei sicher, dass er sie verlieren werde, meint Imielski.
Deshalb sei die Freude der Gefährten des ehemaligen stellvertretenden Ministers vorübergehend. Und dazu voller Heuchelei, da die Regierung der Vereinigten Rechten bei jeder Gelegenheit die europäischen und EU-Institutionen diskreditiert habe, indem sie sogar die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht anerkannt habe, so Roman Imielski in der Gazeta Wyborcza.
Gazeta Polska Codziennie: Bodnar hat sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Putinsche Standards sind im Europarat nicht durchgegangen
Die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie schlachtet den Fehltritt der Staatsanwaltschaft derweil aus und schreibt im heutigen Aufmacher von einer totalen Blamage des Justizministers. Die Opposition und die juristischen Kreise seien sich in diesem Punkt einig. Auch die Worte des Premierministers, der die europäische Immunität von Romanowski als “juristischen Kniff” bezeichnete, seien als skandalös angesehen worden. Nach dessen Beitrag auf X werde der Anwalt von Romanowski angekündigt, dass dieser Tusk wegen der Verletzung seiner persönlichen Güter verklagen werde. Wie der Anwalt betone, seien Romanowski rechtlich gesehen keine Anklagepunkte gestellt worden, es gebe also keine Rede davon, dass er in irgendeiner Angelegenheit verdächtigt werde.
Auch PiS-Politiker würden Strafanzeigen ankündigen. Es gehe um die rechtlichen Analysen, die vom stellvertretenden Justizminister und Bürgerplattform-Abgeordneten Arkadiusz Myrcha in Auftrag gegeben und von Justizminister Adam Bodnar an die Staatsanwaltschaft Korneluks übermittelt worden seien. – Ich habe in dieser Angelegenheit eine Interpellation eingereicht. Die Analysen sind nach einer vorab festgelegten These verfasst worden. Die Autoren sind keine Sachverständigen gewesen, ihre Vorbereitung ist ad hoc in Auftrag gegeben worden, der gesamte Prozess ist nicht mit dem Strafprozessrecht vereinbar gewesen. Deshalb werden wir Anträge an die Staatsanwaltschaft bezüglich des Amtsmissbrauchs durch Beamte des Ressorts von Adam Bodnar (führende Verantwortung) und Arkadiusz Myrcha (ausführende Verantwortung) sowie der Veruntreuung öffentlicher Gelder stellen – sagte der PiS-Abgeordnete Paweł Jabłoński. Geht es nach Jabłoński, zeige der Fall der Analysen den politischen Charakter der gesamten Angelegenheit und die Fremdsteuerung der Handlungen der Staatsanwaltschaft. Auch eine Warnung des Europarats in Bezug auf die Immunität von Romanowski vom Juni dieses Jahres sei ignoriert worden. Angesichts der entstandenen Situation werde klar, dass es keine Grundlage gebe, die zuvor im Zusammenhang mit dem Justizfonds verhafteten Pfarrer Olszewski sowie zwei Beamtinnen des Justizministeriums weiterhin in Haft zu halten. Derzeit würden Anträge auf ihre sofortige Freilassung vorbereitet. Die Anträge würden am Donnerstag bei der Staatsanwaltschaft eingereicht werden, informierte gestern Anwalt Krzysztof Wąsowski im Gespräch mit Gazeta Polska Codziennie.
Dziennik/Gazeta Prawna: Das Ganze sieht fatal aus
Auch wenn Premierminister Tusk die Staatsanwaltschaft in einer ersten Reaktion in Schutz genommen hat. Hinter vorgehaltener Hand geben Politiker der Regierungskoalition zu, dass der Fehltritt des Justizressorts ein Problem für die Regierung darstellt, berichtet das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Wie sie betonen, so die Zeitung, gebe es bei einer so wichtigen Ermittlung kein Raum für Fehler. – Trotz der Erklärungen der Staatsanwaltschaft kann man nichts beschönigen – das Ganze sieht fatal aus und wird uns politisch teuer zu stehen kommen. Die Leute bewerten uns nach unserer Effizienz. Tusk spricht seit Monaten über Abrechnungen, und am Ende haben wir eine Staatsanwaltschaft, die auf einer Bananenschale ausrutscht – kommentiert ein wichtiger Politiker der Bürgerplattform die Situation.
Die Gesprächspartner des Blatts, lesen wir, verbergen nicht: Tusk sei an Abrechnungen interessiert, jedoch sei keine Rede davon, Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen. – Als Koalition kämpfen wir mit der Meinung, dass alles zu langsam geht. Ich erinnere daran, dass die Sitzung der Versammlung des Europarats erst Ende September stattfindet, das könnte die Handlungen der Staatsanwaltschaft beeinflusst haben. Die Situation mit der Immunität ist unklar. Sie haben Gutachten gehabt, sind ein Risiko mit ihrer Interpretation eingegangen, und wie es endete, haben alle gesehen. Anstatt auf dem Weg ins Gefängnis ist Romanowski am Mittwochmorgen auf dem Weg zum Sejm gewesen. Das hätte niemals passieren dürfen – fasst einer der Gesprächspartner des Blatts die Lage zusammen.
Autor: Adam de Nisau